Carsten Sann

Zu guter Letzt … (Oktober 2024)

“Tu, was du willst, das bedeutet doch, dass ich alles tun darf, wozu ich Lust habe, meinst du nicht?” Graógramáns Gesicht sah plötzlich erschreckend ernst aus und seine Augen begannen zu glühen. “Nein”, sagte er mit jener tiefen, grollenden Stimme, “es heißt, dass du deinen Wahren Willen tun sollst. Und nichts ist schwerer.”

Die unendliche Geschichte, Michael Ende

Den wahren Willen zu tun, oder anders ausgedrückt, die eigene Bestimmung zu leben ist der Weg, auf den sich jeder Mensch in dem Moment macht, wenn er geboren wird. Manchen wird diese Tatsache im Laufe ihres Lebens bewusst, die anderen tun es auch – nur halt unbewusst, was weder besser noch schlechter ist. Dabei ist die „Bestimmung“ oder der „wahre Wille“ etwas, was ebenso flüchtig wie veränderlich ist. Was heute unser Daseinszweck zu sein scheint, kann schon bald völlig irrelevant werden. Hier gilt meiner Meinung nach wie bei so so vielem: Der Weg ist das Ziel.

Ob es so etwas wie eine objektiv freie Wahl gibt, darüber streiten die Philosophen. Subjektiv fühlt es sich jedoch so an. Wir treffen jeden Tag, jede Stunde und jede Minute Entscheidungen und unser Ziel ist natürlich, dass diese Entscheidungen gut sind, uns also nützen und dabei möglichst niemand anderem schaden.

Kurzer Exkurs zum Thema „Niemandem schaden“: Das kleine Büchlein „Illusionen“ von Richard Bach (ISBN ‎ 978-3548221175), dem Autor der „Möwe Jonathan“ bietet dazu einige äußerst aufschlussreiche Erkenntnisse.

Du kannst machen was du willst!

Aber zurück zum eigentlichen Thema und zur eingangs zitierten „Unendlichen Geschichte“ von Michael Ende. Ich gehe davon aus, dass viele von Ihnen das Buch gelesen haben, und wer das noch nicht getan hat, sollte es schleunigst nachholen. Es ist eine wunderbare Geschichte mit philosophischem Tiefgang für Kinder, aber vor allem auch für das innere Kind. Die Aussage „Tu was du willst“ spielt darin eine zentrale Rolle und Bastian, der Protagonist, findet heraus, dass der Satz ganz nicht so gemeint ist, wie es anfangs scheint.

Im Rahmen meiner Judo-Trainerausbildung hat der von mir sehr geschätzte Referent mal gesagt: „Du kannst als Trainer mit deiner Gruppe alles tun, was Du willst – du musst nur wissen, warum.“ In diesem Satz steckt viel Wahrheit. Tatsächlich ist diese Aussage nicht nur im sportlichen Kontext gültig. Sie lässt sich mit Leichtigkeit auf alle Entscheidungen im Leben anwenden.

Ich formuliere diesen Satz für mich und meinen Alltag noch ein wenig um: „Ich kann tun, was ich will, ich achte nur darauf, dass ich es bewusst tue.“ Das ist besonders wichtig bei großen Dingen und zum Thema Entscheidungen treffen habe ich ja bereits das ein oder andere Mal geschrieben, zum Beispiel hier, hier oder hier. Doch darum geht es mir heute gar nicht so sehr.

Den Autopiloten abschalten

Stattdessen plädiere ich dafür, das Prinzip der bewussten Entscheidungen so weit wie möglich auszudehnen. Oder, anders ausgedrückt, den Autopiloten abzuschalten und damit vieles, was in der Vergangenheit oder vielleicht „schon immer“ unbewusst lief, ins Bewusstsein zu holen. Hier sind einige Beispiele …

Das Thema Ernährung ist sehr veränderlich und umstritten. Was ist gut für uns? Welche Diät ist die richtige? Was schadet uns und wie schlimm ist der Schaden? Natürlich lege auch ich Wert darauf, mich gut zu ernähren, schließlich will ich ja gesund sein und bleiben. Sollte mich das davon abhalten, jegliche Dinge zu essen, von denen ich weiß oder zumindest vermute, dass sie nicht wirklich gut für mich sind? Das könnte ich zwar tun, ich entscheide mich jedoch gelegentlich bewusst dafür, auch mal „Müll“ zu essen, wie beispielsweise eine Tüte Chips – einfach nur, weil ich Lust darauf habe. Ich tue das im Bewusstsein, dass es einerseits nicht gut für meine Gesundheit ist, mich aber andererseits auch nicht direkt umbringen wird, weil der menschliche Körper die Fähigkeit hat, mit einer ganzen Menge an negativen Einflüssen umzugehen.

Gleichzeitig entscheide ich mich aber auch sehr oft, keinen Müll zu essen, weil ich in dem Moment eben keine Lust darauf habe und es gesünder für mich ist. Den Automatismus, beispielsweise zu einem Film zu Süßem oder Salzigem zu greifen habe ich persönlich glücklicherweise nie besonders ausgeprägt besessen, aber ich habe mir angewöhnt, selbst diese winzige Entscheidung bewusst zu treffen.

Nur Bauern trinken Bier

Ein ähnliches Thema sind alkoholische Getränke. Ich habe nie viel auf einmal getrunken, einige Jahre dafür aber das eine, regelmäßige Bier am Abend, besonders nach dem Sport. Eine zeitlang habe ich das bewusst gemacht, weil ich den Glaubenssatz aus meiner Kindheit – „Nur Bauern trinken Bier“ – loswerden wollte. Irgendwann bin ich mir dann der Tatsache bewusst geworden, dass diese Angewohnheit sich verselbständigt hatte und dass mir der regelmäßige Alkohol auf Dauer auch nicht wirklich gut tut. Zuerst habe ich dann also beschlossen, für eine Weile gar keinen Alkohol mehr zu trinken. Inzwischen entscheide ich mich in jeder Situation, ob ich Alkohol trinken will oder nicht – sei es zuhause, bei Freunden oder im Restaurant. Und zu dieser bewussten Entscheidung gehört auch, weder einem unterschwelligen Gruppenzwang nachzugeben, noch, sich überreden zu lassen.

Risiken sind auch ein großes Thema: Welche gehe ich ein und welche nicht? Ich fahre im Straßenverkehr ohne Helm Fahrrad, mit dem Mountainbike im Gelände ziehe ich jedoch einen auf. Zumindest das eine Mal, wo ich das gemacht habe, und ich würde es wieder so tun. Wenn ich mit dem Auto fahre, schnalle ich mich immer an, aber wenn kein Fahrzeug kommt, gehe ich auch bei Rot über die Straße. Ich spare mir das Geld für eine Hausratversicherung, aber ich lege es nicht in Aktien an. All diese Entscheidungen habe ich bewusst getroffen: Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Bin ich bereit, dieses Risiko einzugehen?

Wahrscheinlich sehen Sie das ein oder andere Thema ganz anders als ich, und das ist auch gut so. Können Sie bei diesen Dingen auch sagen, warum Sie Sie eine andere Meinung haben, warum Sie sich anders entscheiden? Wenn nicht, dann wäre es doch eine gute Sache, einmal darüber nachzudenken und sich bewusst zu machen, warum man etwas so sieht, wie man es tut.

Bewusste Meinungsbildung

Bevor ich zum Ende komme, noch ein Ausflug in ein Gebiet, über das ich mich normalerweise nicht öffentlich äußere. Das ist übrigens auch so eine bewusste Entscheidung. Heute will ich es dennoch tun, weil es hervorragend zum Thema passt.

Auf politischer und gesellschaftlicher Ebene geht es gerade an allen Ecken und Enden ziemlich rund. Viele unterschiedliche Interessengruppen buhlen in den Medien und im Internet darum, uns zu erklären, was gut für uns ist und was nicht. Ich persönlich weiß nicht, wer „recht hat“, falls das überhaupt möglich ist. Was ich jedoch weiß ist, dass nichts von dem, was mir von wem auch immer vorgesetzt wird, der reinen, vollständigen Wahrheit entspricht, weil es zwangsläufig durch die Interessen desjenigen eingefärbt ist, der die Botschaft sendet.

Da die Interessen den Senders nicht unbedingt mit meinen eigenen Interessen deckungsgleich sind, ist es sinnvoll, sich eine fundierte eigene Meinung zu bilden. Dieser Prozess muss zwangsläufig bewusst geschehen und dafür ist es unerlässlich, sich aus mehr als einer Quelle zu informieren. Weder die Tagesschau noch mein Lieblings-Telegram-Kanal haben zu 100 % recht oder unrecht. Niemand ist ausschließlich gut oder ausschließlich schlecht, weder die Ampel noch die AfD, weder Trump noch Harris, weder Russland noch die Ukraine, und selbstverständlich auch weder Israel noch die Hamas oder der Iran.

Mein persönlicher Prozess der Meinungsbildung sieht so aus, dass ich die Informationen aus unterschiedlichen und widersprüchlichen Quellen aufnehme, verarbeite und dann mit dem Verstand und dem Herz bewerte, um für mich selbst bewusst zu entscheiden, was ich für wahr halte. Und bei manchen Themen treffe ich die, ebenfalls bewusste, Entscheidung, dass ich für mich nicht festlegen kann, was ich für wahr halte – auch das ist legitim.

Mein Schlusswort lautet deshalb: Egal, ob es so nun etwas wie einen objektiv freien Willen gibt oder nicht – tun Sie einfach, was sie wollen … aber tun sie es bewusst!

Liebe Grüße aus Aschaffenburg
Carsten Sann
Der Essenzenladen

Carsten Sann

Carsten Sann ist Gründer und zusammen mit seiner Frau Inhaber des Essenzenladens. Er hat sich in seinem Leben schon mit einer Reihe unterschiedlichster Professionen beschäftigt und war unter anderem Tanzlehrer, IT Spezialist und Kinesiologe. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren intensiv mit Blütenessenzen aus aller Welt. Er ist deutscher Distributor und Lehrer für viele der bekanntesten Essenzenhersteller und spricht in seinem Essenzenpodcast über sein Lieblingsthema: Die Anwendung von Blütenessenzen

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Avatar-Foto
    Imke

    Wow Danke 🙏
    Das hat mich sehr angesprochen 😊

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    Imke

    Wow Danke 🙏
    Das hat mich sehr angesprochen ☀️

  3. Avatar-Foto
    Waltraud Kreditsch

    Danke! Ich habe diese Bücher mehrmals gelesen. Sie gehören zu meinen Favoriten. Ebenso wie der Film die Möwe Jonathan. Ich schaue Ihn mir immer mal wieder an. Auch die Musik dazu ist einfach schön. Vielleicht bin eine „Träumerin“.
    Vielen Dank auch für die guten Beiträge von Ihnen!
    Herzliche Grüße aus Klagenfurt
    Waltraud Kreditsch

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