Carsten Sann

Zu guter Letzt … (Oktober 2017)

Wenn ich so überlege, was denn das Thema für mein nächstes „Zu guter Letzt“ sein könnte, zeigt das Universum manchmal mit einem schelmischen Augenzwinkern, dass es einen sehr feinen Sinn für Humor hat. So auch wieder diesen Monat, in dem sich das Thema, wie die sprichwörtliche Katze, selbst in den Schwanz beißt.

Wie schon erwähnt, ist der Judosport mein großes Hobby. Die Mehrzahl der Menschen in den Industrieländern hat wohl eine ungefähre Ahnung, worum es beim Judo geht – es ist eine japanische Kampfsportart. Was jedoch die wenigsten wissen ist, dass Judo viel mehr als das ist. Der Begründer, Jigorō Kanō, hat einen großen Teil seines Lebens darauf verwendet, die verschiedenen philosophischen Richtungen der alten japanischen (Kampf-) Künste zu einer konsistenten und erstaunlich umfassenden Philosophie zusammenzufassen. Das interessante daran ist, dass sich seine Prinzipien natürlich auf der Judomatte, in besonderer Weise jedoch auch in so gut wie allen Situationen des alltäglichen Lebens anwenden lassen.

Die Quintessenz seiner Philosophie kondensiert sich in zwei Prinzipien: Jita-kyō-ei (自他共栄,„Gegenseitige Hilfe für den wechselseitigen Fortschritt und das beiderseitige Wohlergehen“) und Sei-ryoku-zen-yō (精力善用, „Bestmöglicher Einsatz von Körper und Geist“). Um letzteres soll es heute gehen.

Das Prinzip Sei-ryoku-zen-yō beschreibt, salopp gesagt, dass es nicht sinnvoll ist, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Etwas elaborierter gibt es Wolfgang Dax-Romswinkel in seiner Artikelserie über den Judosport frei nach Jigorō Kanō wieder:

„Angenommen mein Gegner hat eine Stärke von 10 und meine eigene Stärke hat den Wert 7. Wenn er mich mit all seiner Kraft stößt, werde ich umfallen, da seine Kraft um 3 Einheiten größer ist als meine. Weiche ich aber im Moment seines Angriffs zurück, so wird er, da er einen Widerstand erwartet, der aber nicht erfolgen wird, nach vorne stolpern und sein Gleichgewicht für einen Moment verlieren, während ich selbst mein Gleichgewicht behalte. In diesem Zustand wird mein Gegner nicht mehr mit seiner ganzen Kraft kämpfen können. Seine Stärke ist vielleicht auf 3 gefallen. Ich dagegen besitze immer noch eine Stärke von 7 und kann ihn nun sogar mit nur der Hälfte meiner Kraft besiegen.“

Dieses Prinzip lässt sich in hervorragender Weise auch auf unser tägliches Leben übertragen.

Wenn wir bei dem was wir tun auf Widerstände stoßen, ist es dann sinnvoll, mit aller Kraft zu versuchen, diese zu überwinden? Druck erzeugt Gegendruck, das heißt, oft ist es so, dass unsere Bemühungen, den Widerstand zu überwinden letztlich dafür sorgen, dass sich dieser nur vergrößert. Vielleicht gelingt es uns sogar, den Sieg in diesem Spiel davonzutragen. Die Frage ist nur, was es uns gekostet hat und ob wir mit dem Erreichten wirklich glücklich sind.

Oder ist es vielleicht sinnvoller, den Widerstand zu unserem Vorteil zu nutzen? Der erste Schritt, dabei ist, dass wir erkennen, dass da ein Widerstand ist. Das ist oft schwierig genug, denn wie viele von uns haben sich längst daran gewöhnt, dass alles kompliziert, schwierig und anstrengend ist. Tatsächlich ist es eine weit verbreitete Überzeugung, dass das, was wir uns nicht „im Schweiße unseres Angesichts“ erarbeitet haben nichts wert ist (oder alternativ, dass wir es nicht verdient haben)? Und wenn dann mal etwas leicht und wie von selbst geht, dann stehen wir überrascht da und wissen nicht so recht, was wir nun damit jetzt anfangen sollen.

Das Leben funktioniert so, dass die Dinge, die gut für uns sind, leicht gehen. Vielleicht müssen wir die Ärmel hochkrempeln und sicher müssen wir die Initiative ergreifen, aber es darf leicht gehen. Und wenn es das nicht tut, dann liegt das daran, dass wir auf Widerstände gestoßen sind. Wenn wir das dann auch noch erkennen, dann haben wir den ersten Schritt getan, um Sei-ryoku-zen-yō im Alltag anwenden zu können.

Der zweite Schritt besteht darin, zu erkennen, worin die Widerstände bestehen und am besten auch, warum die Widerstände da sind. „Was hindert mich“ und „was muss ich tun, damit es mich nicht mehr hindert“ sind die beiden zentralen Fragen, auf die es leider keine pauschalen Antworten gibt. In der Regel weisen uns Widerstände darauf hin, dass der Weg, den wir uns ausgesucht haben, um zum Ziel zu kommen, so nicht funktioniert, oder, dass das Ziel selbst nicht zu unserem höchsten Wohl ist. In den seltensten Fällen jedoch, geht es darum, alles über den Haufen zu werfen und von vorne zu beginnen. In der Regel reicht es, den Weg oder das Ziel so zu modifizieren, dass es sich immer noch gut und richtig anfühlt, aber der Widerstand keine Angriffsfläche mehr findet.

Der dritte und letzte Schritt dreht sich darum, das, was sich uns ursprünglich in den Weg gestellt hat, zu unserem Vorteil zu nutzen. Wenn wir bis zu diesem Schritt gelangt sind, haben wir bereits profitiert, weil wir erkannt haben, dass wir etwas an unserem Weg verändern müssen, um erfolgreich zu sein. Vielleicht haben wir dabei auch etwas über uns selbst und die Art und Weise, wie wir auf Herausforderungen reagieren, gelernt. Oft gibt es uns auch neue Kraft und neuen Schwung, wenn sich Widerstände wie von selbst auflösen, wenn wir unseren Kurs korrigiert haben. Und manchmal verwandeln sich Menschen oder Situationen, die einst zwischen uns und unserem Ziel gestanden haben, sogar in wertvolle Ressourcen, die uns auf unserem weiteren Weg unterstützen. Das Potenzial dafür ist immer da – wir müssen nur in der Lage sein, es zu erkennen und zu nutzen.

Ein ganz ähnliches Prinzip verkörpert übrigens das Element Wasser aus der Traditionellen Chinesischen Medizin: Wasser reagiert auf Druck nicht mit Gegendruck, sondern es umfließt seine Hindernisse, wie große Kieselsteine in einem Bachbett. Wasser ist daher ein sehr sanftes und nachgiebiges Element. Gleichzeitig ist Wasser auch ungeheuer kraftvoll, was jeder bestätigen kann, der schon einmal in einem Sturm auf dem Meer war. Eine schöne Essenz, um das eigene Wasserelement ins Gleichgewicht zu bringen ist die Elementemischung „Water“ von den Pazifikessenzen.

Je länger ich mich mit den Judoprinzipien beschäftige, desto faszinierender finde ich sie. Wo ich anfangs mir noch lächelnd dachte, dass sie sicher gut und tiefgründig, jedoch nicht wirklich universell sind, erkenne ich nun, dass sie sich auf wirklich unglaublich viele Situationen und Herausforderungen anwenden lassen.

Und warum beißt sich bei diesem Thema nun die Katze in den Schwanz? Ganz einfach: In den letzten Wochen habe ich meine Judo-Trainer-Lizenz erworben und mich dementsprechend intensiv mit diesen Themen auseinandergesetzt. Anstatt mir nun irgendein Thema zu suchen, haben ich meine Beschäftigung mit dem Thema effizient genutzt, um den Artikel zu schreiben. Ein schönes Beispiel für die Anwendung von Sei-ryoku-zen-yō im Alltag.

Liebe Grüße aus Aschaffenburg
Carsten Sann
Der Essenzenladen

Carsten Sann

Carsten Sann ist Gründer und zusammen mit seiner Frau Inhaber des Essenzenladens. Er hat sich in seinem Leben schon mit einer Reihe unterschiedlichster Professionen beschäftigt und war unter anderem Tanzlehrer, IT Spezialist und Kinesiologe. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren intensiv mit Blütenessenzen aus aller Welt. Er ist deutscher Distributor und Lehrer für viele der bekanntesten Essenzenhersteller und spricht in seinem Essenzenpodcast über sein Lieblingsthema: Die Anwendung von Blütenessenzen

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